Wie wird formal mit einem Ort verhandelt der unabdinglich in seinem eigenen zeitlichen, wie räumlichen Kontext verankert ist und eine Betrachtung aus der Gegenwart das volle Ausmaß/ Tragweite seiner Geschichte nur in Teilen erahnen lässt? “Wie damals gehandelt und gedacht, befohlen und gehorcht wurde, unter welchem Druck, in welcher Bedrängnis, wie viel im Geheimen geschehen konnte, was alles staatliche Instanzen noch an selbstverständlichem Respekt erfuhren, all das liegt schon länger hinter uns.” 1
Der Versuch sich in die Vergangenheit hineinzuversetzen scheitert an den Grenzen des eigenen Vorstellungsvermögens. Als eine Generation, die nie die Grausamkeit und den Schmerz der Zeit gefühlt und erlebt hat stellt sich die Frage, inwiefern adäquat mit Relikten aus vergangener Zeit umgegangen werden kann, die wir nur aus den Geschichtsbüchern und Erzählungen kennen? In Anlehnung an das kollektive Gedächtnis, nach Halbwachs, lässt sich festhalten, dass manche Ereignisse derart hoch eingeschätzt werden, “dass sie nicht nur von einzelnen Personengruppen, sondern von der gesamten Nation erinnert werden und der Gemeinschaft einen geistigen Zusammenhalt geben. Um diese kollektiven Erinnerungen dauerhaft zu verankern, wird eine Erinnerungskultur geschaffen.” 2
Wir erkennen an, dass unsere Perspektive unweigerlich gebunden ist an unseren zeitlichen und räumlichen Kontext von Gesellschaft und Umwelt. Dementsprechend plädieren wir für ein bewusstes Zurücknehmen in Hinblick auf die Vergangenheit wie Zukunft im unterstützenden Sinne des kollektiven Gedächtnisses mit dem Ziel einen neuen Handlungs- und Möglichkeitsraum zu eröffnen. Entgegen der unterdrückenden Haltung des Verbots, eingefordert mittels verschiedenster Formen von Gewalt, der zu erinnernden Zeit, streben wir den Diskurs mit der Vergangenheit an. Bestimmt und reflektiert wird an dieser räumlichen Schnittstelle ein neuer Handlungsraum des Dialoges eröffnet. Auf dass wir der Vergangenheit gedenken und mit diesem Ausgangspunkt uns wieder vermehrt demokratisch mit unserer Gegenwart und Zukunft auseinandersetzen.
Inspiriert von Dr. Borovyk’s Betrachtung des Ortes als eine Heterotopie halten wir für uns fest, dass eine Heterotopie nach Foucault ihre eigenen Ordnungs-, Macht- und Zeitstrukturen besitzt, diese jedoch aktuell nicht mehr lebhaft erfahrbar sind. Gleichzeitig sind Heterotopien in der Lage, mehrere Räume an einem einzigen Ort zu vereinen und zueinander in Beziehung zu setzen, die eigentlich nicht vereinbar sind. Es ist nur konsequent das Potential der Hetero- topie weiterzudenken und die räumlich vielschichtige Beziehung des Ortes und der Zeit zu betonen. Schließlich zeigt ein Besuch des Areals schnell die Spuren der zeitlichen Anpassung in Form von Umbauten, Erweiterungen, Umnutzungen. Der Ort des ehemaligen KZ’s weist eine hohe Dichte an Verschränkungen und Vielschichtigkeit auf. Sowohl das Gelände selbst mit seiner Vornutzung, Nachnutzung, Umbau und Erweiterung von Strukturen als auch seine unmittelbare Umgebung mit Sportplatz, Wanderweg, Restaurant und Freibad formt eine Welt der ideologischen Widersprüche. Die ehemalige Kommandantenvilla als ehem. Zentrum der Macht verlangt nach einer zeitgemäßen Einbindung in das Areal. Nicht die formale Abgrenzung des Ortes zu einem reinen Gedenkort wird angestrebt sondern eine Vermittlung an seine über Zeit veränderte Umgebung. Der Ort hat vor allem durch seine Beziehung der beiden Welten die Kraft zur Reflexion.
Die Typologie des Forums eröffnet ihr den Handlungsraum der Kontemplation und, im Sinne einer mentalen Verarbeitung der Geschehnisse, auch den des Austausches und Diskurses. Auf diese Weise wird die Villa wieder in seine Gegenwart eingebunden und erfährt ein neues Potential. Wir betrachten das Forum als ein Symbol und Raum der demokratisch transparenten Auseinandersetzung. Dabei ist es entscheidend, dass entgegen einer zentralen Entscheidungsgewalt und Macht das Zentrum des Forums hier nicht einnehmbar sein darf! Umgeben von den erzählenden Strukturen der Zeit implementiert sich das Forum und tritt in einen Dialog. Entgegen einer Zeit geprägt von Verboten und Zwängen, die sich auszeichnet durch das setzen von klaren Grenzen, werden nun jene sichtbaren/un- sichtbaren Grenzen durch Schwellen erfahrbar. Grenzen werden aufgelöst und transformieren zu einem begehbaren Dazwischen. Ein Zwiespalt der Zeiten welche in der zentralen Struktur des Forums beginnen zu kommunizieren.
„Ein Gebäude muss Raum lassen für den Umbau. Die Zukunft muss darin noch Platz haben. Es ist aber das Wesen der Zukunft, dass uns ihre Neuerungen noch unbekannt sind. Wir wissen also nicht, wie viel Raum wir ihr reservieren müssen.“ 3
[1] Vgl.: Pfohl-Horster, Henrike: Die Gegenwärtigkeit der NS-Ver- gangenheit, 2005, S.5
[2] Vgl.: Das kollektive Gedächt- nis, in: Bayerischer Rundfunk,
09.02.2017, https://www.br.de/ radio/bayern2/sendungen/radio- wissen/soziale-politische-bil- dung/gedaechtnisforschung-kollektives-gedaechtnis-100.html (29.10.2020)
[3] L. Burckhardt, W. Förderer: “Bauen ein Prozess”, Niederteu- fen 1968, S.30
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